Sonntag, 17. August 2014

WIR SIND EIN SCHMERZ UND EINE KEHLE

Es gibt nichts schlimmeres als "Tschüss" sagen zu müssen, wenn man noch bleiben will.
Und die Rede ist von "Tschüss" oder "Leb' wohl", nicht von "Auf Wiedersehen".




Da läuft er die Straßen entlang - Hände in den Manteltaschen - und legt sich Worte zurecht, die er nacheinander immer wieder verwirft. "Freunde bleiben, das haben schon viele gesagt, aber ich meine es ernst, weißt du?" Zu gewöhnlich.
Sie ist besonders gewesen. Immer und immer. Seine Muse, seine Liebste, seine Melancholie, seine Ruhe und sein Sturm, alles zugleich. Da könnte er sie nicht abspeisen mit einer Floskel, schon in so vielen Mündern gewesen, auf so vielen Zungen und jedes Mal wieder als Lüge hinausgeschleudert in die Welt.
"Freunde bleiben". Wer sich wirklich geliebt hat, bringt keine anständige Freundschaft zustande.
"Ich wollte dir da was sagen und natürlich war es schön mit dir, das musst du mir glauben, vielleicht die schönste Zeit, die ich je gelebt habe. Vielleicht die schönste Zeit meines Lebens. Aber vielleicht auch zu schön um zu begreifen wie schön." 
Da kommt er sich dumm vor. 
Schön ist es gewesen, aber ... Verdammt, jetzt spricht er schon in der Vergangenheit davon! In Gedanken hat er es bereits beendet, dann ist es jetzt wirklich an der Zeit es ihr zu sagen.
Zu schön. Kann etwas zu schön sein?
Vielleicht hat er Angst es nicht auskosten zu können, weil es zu schön ist zum Auskosten. Wie ein Lebkuchenherz, das man nicht essen will, weil man es noch als Andenken braucht.
Andenken. Das stimmt. Sie ist sein Andenken. Sie ist seine Erinnerung.
Das schönste Mädchen, das er je geliebt hat. Gleichzeitig das klügste, das bodenständigste, das humorvollste, die einzige Verkörperung aller positiven Superlative, die er je kennen lernen wird.
Sie ist perfekt. Sie ist alles, was er sich je erhofft hat. So perfekt, dass man nur an ihre Perfektion denken kann und nicht daran, wie sehr man sie liebt.
Sie ist zu schön zum lieben.
"Ich will dich nicht leiden sehen, ich will dich nicht weinen sehen, ich tu' dir nicht gut, du verdienst etwas besseres, etwas so viel besseres." Das hat noch niemand geglaubt. Auch nicht er.
Ihm geht die Zeit aus. Er sieht sie schon stehen.
In einem Hauseingang. Schutzsuchend vor dem wilden Unwetter.
"Seine Ruhe und sein Sturm, alles zugleich."

Sie sieht ihn. Lacht. Winkt. Scheint nichts zu ahnen.
Und als er ihre Hand hält und ihr in die Augen sieht, da spürt sie die Wehmut, die in der Luft liegt. Das ungute Gefühl. Tiefe Trauer in jedem Tropfen, der gegen zahllose Scheiben schlägt.
"Ich kann nicht glauben, dass ich das tue," fängt er an. Versucht Halt zu finden in ihren tiefen Augen. Vergebens.
"Ich hab nie gewollt, dass es so kommt. Ich kann es nicht begreifen. Werde ich nie können. Ich würde gerne lachen können, wenn du etwas sagst. Ich würde gerne weinen können, wenn du traurig bist. Ich würde gerne etwas fühlen können wenn du in meinem Arm liegst von spät bis früh, aber nichts von all dem ... verstehst du?"

Sie nickt. Versteht dennoch nicht.
Da drückt er ihr einen Kuss auf die kalte Wange. Da sieht er sie zum letzten Mal an. Da geht er. Da geht er. Da geht er.

Sie bleibt zurück. Tränen in den Augen, Klage im Herzen und Unverständnis überall.
Sie streicht sich eine Strähne hinter's Ohr.
"Leb' wohl", murmelt sie. 
Der Sturm nimmt die Worte mit, nimmt die Tränen mit, nimmt den Abschied mit und lässt sie zurück.
Sie bricht auf, ohne zu wissen wohin. Sie beginnt, ohne zu wissen was.
Tragisch - wie jeder Abschied.
Ungewiss - wie jeder Neubeginn.
Kann etwas zu schön sein?




 "Gedankenlos zieh' ich mit meinen Gedanken los, auf der Suche nach Glückseligkeit, denn mein Herzensglück seh' ich halt woanders." -  seek4happiness (neon.de)

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